Die wenigen umfangreicheren Tonaufnahmen sind zwar interessant, aber nicht unsere Hauptinformationsquelle. Das meiste, was wir über die Aussprache des Quenya wissen, basiert auf den schriftlichen Notizen Tolkiens, in denen beschrieben wird, wie seine Sprachen ausgesprochen werden sollen. Die wichtigste Quelle hierfür ist Anhang E des HdR. (Tatsächlich entspricht Tolkiens Aussprache auf den Aufnahmen nicht immer seinen eigenen praktischen Anweisungen, aber schließlich war Quenya auch nicht seine Muttersprache.)
Jede natürliche Sprache hat ihre individuelle Phonologie, d.h.
eine Reihe von Regeln, die bestimmen, welche Laute gebraucht werden, wie
sie variieren und wie sie kombiniert werden dürfen. Dies gilt für
jede gutkonstruierte Kunstsprache ebenso. Quenya ist definitiv keine halb
zufällig zusammengewürfelte Ansammlung von Lauten; Tolkien entwarf seine Phonologie
sehr sorgfältig – sowohl als ein sich entwickelndes Ganzes (die graduelle
Evolution des Primitiven Elbischen zum Klassischen Quenya) als auch als
"feste" Form (die Form von Quenya, die als Sprache der Weisen
und der Zeremonien in Mittelerde gebraucht wird). Tolkien ließ Pengolodh,
den Weisen von Gondolin, beobachten, dass elbische Sprachen relativ wenige
Laute gebrauchen – "for the Eldar being skilled in craft are not
wasteful nor prodigal to small purpose, admiring in a tongue rather the
skilled and harmonious use of a few well-balanced sounds than profusion
ill-ordered" (PM:398). Keiner der Laute des Quenya ist aus europäischer
Perspektive sonderlich exotisch; die Anordnung jedoch ist von exquisiter
Ordentlichkeit. Im Vergleich zu Tolkiens Elbensprachen erscheinen viele
"echte" Sprachen geradezu chaotisch.
Beim Sprechen von Vokalen wird der Luftstrom lediglich modifiziert
(mittels der eben beschriebenen Technik), er wird niemals "gehindert".
Im Fall von Konsonanten wird die Luft aktiv blockiert. Tolkien berichtete
uns, dass ein alter elbischer Begriff für Konsonant tapta
tengwë oder nur tapta lautet,
was "gehindertes Element" oder "Gehindertes" (VT39:7)
bedeutet. Im Extremfall kann der Luftstrom für einen kurzen Moment sogar
vollständig unterbrochen werden: leicht festzustellen bei einem Konsonanten
wie p, der geformt wird, indem man
die Lippen in Kontakt miteinander bringt, kurzzeitig den Luftstrom von
den Lungen abschneidet und einen Druck im Mund aufbaut. Werden die Lippen
nun abrupt wieder getrennt, entlassen sie die Luft in einer kleinen Explosion
– und diese Explosion produziert den Laut p.
Diese explosiven Konsonanten sind t, p,
k und ihre Gegenstücke d, b, g.
Sie werden alle durch das Stauen und plötzliche Entlassen der Luft an
verschiedenen Stellen der Mundhöhle gebildet. Anstatt die Luft vollständig
zu blockieren, kann man sie auch durch eine schmale Öffnung fließen lassen,
wie beim f, wo sie zwischen Unterlippe
und oberen Schneidezähnen hindurchgepresst wird. Solche Laute werden friktiv
(?) (oder spirativ) genannt
und umfassen die Konsonanten f,
v, das deutsche w und
das englische th. Und es gibt immer
noch weitere Möglichkeiten den Luftstrom zu manipulieren, z.B. indem man
ihn durch die Nase umleitet und nasale Konsonanten wie n
oder m bildet.
Das Konzept der Stimmgebung sollte ebenfalls verstanden werden.
Menschen (und - so wie es aussieht - auch Elben) kommen mit Stimmbändern
in der Kehle zur Welt. In Vibration gebracht, fügen diese dem Luftstrom
"Stimme" hinzu, noch bevor er die Sprechorgane ganz erreicht.
Das Vorhandensein oder Fehlen solchen Stimmgebens unterscheidet
Laute wie w von f.
Wenn man einen Laut wie ffff... produziert
und ihn dann plötzlich in ein www...
umwandelt, spürt man das Summen in der Kehle (legen Sie einen Finger auf
Ihre Glottis – den "Adamsapfel", der bei Frauen weniger hervorsteht
- und Sie werden das Vibrieren der Stimmbänder spüren). Im Prinzip könnte
durch das Vokalisieren die Anzahl unserer produzierbaren Laute verdoppelt
werden, da sie alle entweder mit Vibration der Stimmbänder (als
stimmhafte Laute) oder ohne (als stimmlose Laute) erzeugt
werden könnten. In der Praxis treten die meisten Sprachlaute jedoch nicht
stimmlos auf. Viele Laute wären kaum wahrnehmbar ohne Stimmgebung (n
zum Beispiel würde zu einem kleinen Schnauben reduziert). Gewöhnlich sind
alle Vokale stimmhaft, so auch im Quenya (obwohl sie z.B. im Japanischen
unter bestimmten Bedingungen ihre Stimme verlieren).
Silben: Zusammengesetzt aus Vokalen und Konsonanten, ist Sprache
kein undifferenzierter Schwall von Lauten. Sie wird eher als in rhythmische
Einheiten (Silben) organisiert wahrgenommen. Die kürzesten Worte
sind zwingenderweise einsilbig, aus nur einer Silbe bestehend –
wie das deutsche von oder sein Quenya-Äquivalent ho.
Wörter mit mehr als einer Silbe, also mehrsilbige Wörter, bilden
längere Ketten von rhythmischen Impulsen. Ein Wort wie Harfe besitzt
zwei Silben (Har-fe), eines wie wundervoll drei (wun-der-voll),
Geografie besitzt vier (Ge-o-gra-fie), und so weiter -
obwohl wir offensichtlich nicht viel mehr Silben aneinander reihen können,
ohne unpraktisch lange und schwierig auszusprechende Worte zu erhalten.
Einige orientalische Sprachen - wie Vietnamesisch - haben eine Vorliebe
für einsilbige Wörter. Aber wie aus unseren deutschen Beispielen ersichtlich,
besitzen europäische Sprachen längere Wörter, und Tolkiens Quenya macht
davon auch ausgiebigen Gebrauch (ebenso das Finnische).
Die Vokale des Quenya lauten a, e, i, o, u.
Lange Vokale werden durch einen Akzent gekennzeichnet: á,
é etc. Die Vokale sollen rein klingen, d.h. wie in der deutschen,
oder besser noch, der italienischen Aussprache (und keinesfalls wie
im Englischen). Die langen Laute á
und é sollen deutlich geschlossener
sein als die kurzen a, e. Manche
Vokale können eine Diaresis (waagerechter Doppelpunkt über dem Buchstaben)
erhalten; dies beeinflusst nicht ihre Aussprache, sondern erinnert Personen,
die an ein englisches Schriftbild gewöhnt sind, aufeinanderfolgende
Vokale nicht zu verschmelzen. Jede Diaresis ist optional, d.h. sie kann
auch weggelassen werden. Ich
finde, dass die Diaresis - da Tolkien sie an so vielen Stellen selbst
benutzte - das Schriftbild des Quenya geprägt hat und viel zu seiner
Eleganz und Exotik beiträgt.
Die Diphthongs sind ai, oi,
ui und au,
eu, iu.
Der Konsonant c wird stets wie k
ausgesprochen ( Celeborn also nicht wie Zeleborn, sondern
Keleborn). anhören
L soll klar, dental ausgesprochen werden
(wiederum ähnlich dem Deutschen; dabei sollte im Quenya idealerweise
die Zungenspitze die oberen Schneidezähne berühren; keineswegs sollte
das Quenya-l so weit hinten im Gaumen liegen wie im englischen will!)
R wird immer mit der Zunge gerollt.
Das kehlige r im Deutschen und Französischen
klingt in Elbenohren abstoßend. Tatsächlich scheint es der orkischen
Sprachfamilie zugeordnet zu sein (womit dann auch alles gesagt sein
dürfte).
S ist immer stimmlos, wie im Deutschen
dass, niemals wie in Sonne! (tasar
wird also taßar ausgesprochen, allerdings mit kurzem s) anhören
Y wird nur konsonantisch gebraucht,
wie das deutsche j. Man vermeide unbedingt, y
wie ü auszusprechen.
Idealerweise sollten die Konsonanten t, p,
c unaspiriert sein.
Palatalisierte Konsonanten werden durch Digraphen mit -y
notiert (ty, ny
etc).
Labialisierte Konsonanten werden gewöhnlich durch Digraphen mit -w
umschrieben (z.B. nw; Ausnahme:
statt cw wird im Quenya aus ästhetischen
Gründen immer qu geschrieben. Dies
gilt jedoch nur für das Schriftbild, in der Aussprache bleibt cw
erhalten.)
H wird wie im Deutschen ausgesprochen.
Es gibt jedoch eine Reihe von Ausnahmen:
Die Kombination ht wird cht
ausgesprochen (wie in Macht),
wenn ein "dunkler" Vokal (a, o, u)
unmittelbar vorangeht. Ist der vorangehende Vokal hell (i,
e), so wird ht zu cht
wie in nicht. Beim lauten
Sprechen merkt man deutlich den Unterschied zwischen den beiden ch-Lauten.
Die Kombination hy wird immer mit
ch wie in ich ausgesprochen (hyarmen
also als charmen; ch wie ich ohne das i, keinesfalls wie
in Bach!)
Die Kombination hw steht für ein
stimmloses w (wie im amerikanischen
Englisch wh).
Die Kombinationen hl und hr
repräsentierten ursprünglich ein stimmloses l
bzw r. Seit dem Dritten Zeitalter
werden sie jedoch wie die gewohnten Laute l
und r ausgesprochen.
Die Betonung entfällt bei zweisilbigen
Worten in fast allen Fällen auf die erste Silbe (Valar
wird folglich VAlar ausgesprochen). Besteht das Wort aus mehr als zwei
Silben, so entfällt die Betonung auf die vorletzte
Silbe, wenn diese lang ist. Eine Silbe gilt als lang, wenn sie
entweder einen langen Vokal (á,é...)
oder einen Diphthong (au, iu...)
enthält, oder wenn der (kurze) Vokal von mehr als einem Konsonant gefolgt
wird. (Isildur wird also iSILdur
ausgesprochen; nicht vergessen, dass das s
stimmlos ist!). Wenn die vorletzte Silbe kurz ist (also keines der drei
genannten Kriterien erfüllt), so entfällt die Betonung stets auf die
drittletzte Silbe, egal ob diese
nun lang oder kurz ist.